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Hochschulrechenzentren als IT-stadtwerke - konzeption und kritische diskussion innovativer IT-dienstangebote von hochschulen

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2014

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Gesellschaft für Informatik e.V.

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Der Aufsatz befasst sich mit der Frage, wie Hochschulrechenzentren neue und innovative Produkt-Portfolios entwickeln und sich damit neue Märkte und Kunden erschließen können. Angestrebt ist eine kritische Diskussion im Kollegium mit Blick auf die hier aufgezeigten Chancen und Potentiale. Es ist hingegen noch nicht Aufgabe des Artikels, Lösungsstrategien zu zeigen, da diese stets konkret, organisations- bzw. kompetenzbezogen sein müssten. Einleitend wird die Diskussion zusammengefasst, die sich mit den Ansprüchen an die Informatikdienste an Hochschulen sowohl in technischer wie auch in wirtschaftlicher und strategischer Sicht befasst. Aktuel e Angebotsstrukturen von Informatikdiensten deutscher Hochschulen werden im zweiten Abschnitt untersucht und verglichen. Eine Analyse exemplarischer Zukunfts- und Trendstudien im dritten Abschnitt zeigt auf, welche neuen Anforderungen auf die Hochschule im Allgemeinen und ihre IT im Besonderen zukommen. Auf diesen Vorarbeiten entwirft der vierte Abschnitt das Modell eines neuen Serviceangebotes der Hochschulinformatik. Die Autoren erörtern dazu, welche Leistungen mit der bereits bestehenden Infrastruktur für hochschulnahe und hochschulexterne Anspruchsgruppen angeboten werden können. Hochschulrechenzentren können zum Anlaufpunkt für Bürger mit Beratungsund Informationsbedarf werden und dadurch zur geforderten positiven Wahrnehmung und Wirkung der Hochschule über den Campus hinaus beitragen. Die neuen IT-Dienste dienen als Inkubatoren für Spin-Offs, studentische Start-Ups und die Verbreitung von Open-Source- Software. Im fünften Abschnitt wird dieser Entwurf kritisch diskutiert mit Blick auf seine mögliche Bedingungen und Wirkungen. Dabei werden insbesondere Aspekte des Managements, des Personalwesens und der Abgrenzung der Hochschule nach außen angesprochen. Zum Schluss wird das Szenario mit Blick auf seine Chancen und Erträge kurz bilanziert. 1825 - eine andauernde Debatte Dieser Abschnitt fasst kursorisch zusammen, welchen Anforderungen sich die Informatikdienste der Hochschulen gegenüber sehen und sahen. Die deutsche Diskussion zum Thema im engeren Sinne ist sehr begrenzt (vgl. [BBS07], [Le12], [RSL10], [Vo03]) und meist entweder auf die Lehre oder Fragen der Hochschulentwicklung allgemein (vgl. [EK12], [Mu05]) bezogen. Im englischen Sprachraum findet hingegen eine breite Debatte statt, wie noch zu zeigen ist. Insofern versucht unser Beitrag, eine Diskussion anzuregen, aber auch in den deutschen Raum zu übertragen. Wir unterscheiden Funktionen der Informatikdienste in hochschulinterne und hochschulexterne. Bei den hochschulinternen Funktionen ist sicher die Lehre im Fokus der Diskussion. Köhler und Neumann [KN11] versammeln Beiträge zur Diskussion der Öffnung der Hochschullehre und -forschung durch digitale Medien. Frey [Fr13] geht speziell auf die sozialen Medien ein, die die Hochschullehre stark beeinflussen. Auch Grell und Rau [GR11] behandeln Probleme und Potentiale sozialer Medien für Hochschulen. Die Wechselwirkung neuer Medien und auch neuer Anforderungen der Studenten mit dem Hochschulunterricht thematisieren Reinmann et al. [RES13]. Brugger [Br13] fokussiert, wie sich die digitalen Arbeitsgewohnheiten der Studenten verändert haben und reflektiert dann, welche Auswirkungen dies auf die Informatikdienste des Hochschulsektors haben wird. Pollara et al. [PB11] fragen ebenfalls nach den Erwartungen und Arbeitsgewohnheiten der Studenten speziell mit Fokus auf den Bereich des mobilen Lernens und Arbeitens. Auch Entwicklungen der Hochschulpolitik und -struktur sind maßgeblich für Anpassungen der Informatikdienste. So analysiert Kühl [Ku12] die Wirkung bürokratischer Faktoren, allen voran die wachsende Notwendigkeit, die in Leistungspunkten ausgedrückten Veranstaltungen, Prüfungen und Module stimmig miteinander kombinieren zu können. Arbeiten, die speziell die Anpassung der Informatik für neue und erweiterte IT-Dienste vorschlagen, legen beispielsweise Du et al. [Du12a] sowie [Du12b] vor. Sie wollen auf dem Campus bestehende Infrastrukturen vernetzen und so erweitern, dass Forschung und Lehre, aber auch private Nutzungen der Hochschulangehörigen profitieren. Rekik et al. [Re06] untersuchen, wie webgestützte Kollaborationsprozesse speziell für Laborarbeiten von Ingenieuren und gemeinsame Forschungsnutzung von Laboren durch eine .Net-Umgebung verbessert werden. Wang et al. [Wa12] entwickeln schließlich ein Evaluationssystem für die Qualität der Informatikdienste der Hochschule. Sowohl akademische wie nicht-akademische studentische Dienste sollen in Hinblick auf Verlässlichkeit, Verfügbarkeit, Sicherheit und Angemessenheit bewertet und optimiert werden können. Prozessoptimierung ist das Thema der Lerntechnologieabteilung der Universität Basel [Le12]. Ihr Projekt \?IT-Service-Integration in Studium und Lehre (ITSI)“ soll die \?$\dots $vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die damit verbundenen Dienstleistungen zur Unterstützung von Lehre und Studium besser aufeinander abstimmen und benutzerorientiert ausrichten“. 1826 Weiter gewinnen betriebswirtschaftliche Aspekte in der Hochschulinformatik eine wachsende Bedeutung. Beispiele für die Ökonomisierung der Hochschulinformatik nach innen gibt Voros [Vo12]. Er beschreibt, wie die UC Berkeley ein Labor zur Herstellung von Computerhardware erfolgreich betrieben hat. Für den Erfolg war maßgeblich, dass Ressourcen hochschulweit in einem Pool geteilt und die Kosten transparent und fair ermittelt und verrechnet wurden. Wie bei einer kollaborativen Nutzung geteilter Infrastrukturen eine faire und transparente Kostenallokation für die Nutzer mit Hilfe von realistischen Schätzungen aufgrund von Ressourcenprofilen erreicht werden kann, hat Brandl aufgezeigt [BBS07]. Von der Markt- und Kundenorientierung her denken Rudakova et al. [RSL10] die Anforderungen an das IT-Service-Management. Informatikabteilungen können betriebswirtschaftlich nicht nur als Cost Center betrieben, sondern zu einem tatsächlichen Wettbewerbsfaktor der Organisation gemacht werden, wie bereits 2003 von Eltz am Beispiel des entsprechenden Change-Projektes im Wacker- Konzerns aufgezeigt hat [Vo13]. Vor allem amerikanische Hochschulen haben traditionell Erfahrungen mit der Öffnung für externe Publika, indem sie auch die Hochschulinformatik für Unternehmenszwecke geöffnet haben. Rindos [Ri12] stellt der Zusammenarbeit von IBM mit amerikanischen Hochschulen gute Noten für das gemeinsam entwickelte WebSphere-Produktportfolio aus. Produktinnovation, Testing, proof-of-concepts und Showcases, aber auch Talententwicklung und Rekrutierung im HR-Bereich sowie verbesserte Verkaufsmöglichkeiten und Sichtbarkeit im Marketing erkennt er als positive Wirkungen der Kooperation. Siebenhofer [Si09] urteilt ähnlich positiv über die Kooperation von Siemens IT Solutions and Services mit chinesischen Hochschulen. In zahlreichen Praktika seien nicht nur Fachkräfte ausgebildet, sondern auch Impulse für curriculare Entwicklung gegeben und Projekte gefördert worden. Europäische Hochschulen praktizieren diese Öffnung im Bereich der Lehre und Beratung. Ein Beispiel der Fernuniversität Hagen [Le08] steht stellvertretend dafür. In diesem Fall wird soziologisches Wissen an Laien weitergegeben, die außerhalb des Wissenschaftssystems stehen. In die gleiche Richtung zeigen Initiativen wie die Bürgeruniversität und Angebote an Kinder oder Senioren. Robinson et al. [Ro14] führen die Öffnung der Hochschule zur Gesellschaft an der Universität von Durham vor. Forscher engagieren sich aktiv in Debatten um die Einführung von und den Umgang mit neuen Technologien und befähigen Bürger, in einem verantwortungsvollen und demokratischen Diskurs rationale Entscheidungen zu treffen. Im angelsächsischen Sprachraum wird schließlich eine Debatte um die \?Community Informatics“ (nachfolgend \?CI“) geführt, die ebenfalls in unseren Kontext gehört. Die zahlreichen Umsetzungsformen belegen beispielsweise Gurstein [Gu00], Bradley [Br06], Stillman [St09] oder Stillman et al. [SJF09]. Stillman versteht CI als das Phänomen der Aneignung von Informationstechnologien durch lokale Gemeinden und problematisiert dabei die ambivalente Rolle des Staates, der einerseits zwar Infrastrukturen und Dienste anbietet, andererseits aber so auch die Autonomie sowohl der Gemeinden wie auch der Bürger kompromittieren könnte. Es ist überflüssig zu betonen, dass genau die Universitäten an dieser Stelle eine hilfreiche Brückenfunktion einnehmen und die Kontroverse entschärfen könnten. 1827 Konkrete und bürgerwie gemeindenahe Projekte der CI beschreiben weiter Ezenkwu et al. [EOK13]. Sie veranschaulichen, wie mit Hilfe von geographischen Netzwerken Gemeinden in Nigeria z.B. Kriminalität besser bekämpfen können. Verwandte Beispiele für CI in der Regionalentwicklung liefern Marshall et al. [MTY04]. Die Autoren wollen Führungskräften, Forschern, Studenten und Gemeindearbeitern erfolgreiche Strategien für CI in der Regionalentwicklung an die Hand geben. Attwood et al. [At13] schildern den Nutzen sogenannter \?Telecenters“ in Entwicklungsoder Schwellenländern (hier RSA) und wie sie zur Verbesserung des Lebensstandards der Gemeinde messbar beitragen. Dass CI keinesfalls nur auf Entwicklungsländer beschränkt ist, zeigt Goodwin [Go07] am Beispiel des Birmingham City Council / UK. Dessen Projekt, den Bürgern wertvolle Internetdienste anzubieten und sich neu als Partner zu positionieren, bilanziert er als sehr erfolgreich, kritisiert aber zugleich den Legitimitätsverlust, der aus dem Versuch der Regionalregierung resultiert, Kontrolle und Management dieser Dienste zu usurpieren. Die hier zusammengefassten Diskussionen zeigen, dass Hochschulen bereits heute ein breites Portfolio von Informatikdiensten aufweisen, dieses immer wieder auf neue Anforderungen hin rekonfigurieren und auch bereits an zahlreichen Stellen in die Gesellschaft hineintragen. Im nächsten Abschnitt wird nun zu untersuchen sein, welche konkreten Dienste die HRZ heute anbieten, um danach weiter zu reflektieren, welche Anwendungsmöglichkeiten auf diesen Grundlagen möglich erscheinen, um die HRZ als \?Informatik-Stadtwerke“ im Sinne einer hochschulgetragenen CI zu positionieren. 2 Informatikdienste deutscher Hochschulen - das aktuelle Portfolio Die Hochschulrechenzentren (im weiteren: \?HRZ“) sind zunächst für den zuverlässigen Betrieb einer sich ständig weiterentwickelnden IT-Infrastruktur am Hochschulstandort zuständig. Im Hochschulalltag erbringen sie schwerpunktmäßig IT-Dienstleistungen für das Campus-Management (Student-Life-Cycle-Management und Hochschulverwaltung), sowie für Forschung und Lehre. Neben einem Basisportfolio variiert das Angebotsspektrum je nach Fächerschwerpunkt und Größe der Hochschule. Zudem operieren HRZ nicht immer als geschlossene Organisationseinheit: je nach Größe und Organisationsstruktur übernehmen Fakultäten, Fachbereiche und bei der Verwaltung angesiedelte Abteilungen dediziert Teilaufgaben. Rudakova et al. [RSL10] definieren die \?Prozessunterstützung bei der Schaffung von Forschungsergebnissen“ als Ziel der HRZ an Universitäten. Wir sehen die Aufgaben von HRZ an Universitäten und Fachhochschulen in den drei Kernleistungsbereichen Campus-Management, Lehre und Forschung, sowie Infrastruktur. Das Rückgrat der Hochschul-IT bilden die Datenzentren. Deren Mitarbeiter stellen die Zuverlässigkeit der Systeme, die Hochverfügbarkeit der Dienste und die Datensicherheit in Verwaltung und Student-Life-Cycle sicher. Die stetig steigenden Studierendenzahlen erfordern einen fortwährenden Ausbau der IT- Kapazitäten an Hochschulen, um eine qualitativ gleichbleibenden Zuverlässigkeit zu 1828 gewährleisten. Gleichzeitig verändert sich die Beziehung zwischen Universitäten und Studierenden: Bildung wird als Dienstleistungsangebot wahrgenommen, und die Qualität dieses Angebotes entscheidet über die Attraktivität eines jeden Standortes. Um den Herausforderungen einer wachsenden Hochschul-IT gerecht zu werden, bedarf es hochqualifizierter Mitarbeiter. Personale und technische Einrichtungen der Hochschulen sehen sich einer großen Herausforderung gegenüber: sie müssen einen attraktiven Arbeitsplatz bieten, was im Vergleich zur freien Wirtschaft schwierig ist. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind niedriger, die Aufstiegsund Entwicklungschancen sind geringer. Hochschulen müssen also punkten, wo die Privatwirtschaft es nicht oder nur schwerlich kann. Möglichkeiten dazu sehen wir in der Identifikation, vor allem in der gesellschaftlichen Implikation, der Sichtbarkeit und Verantwortung, die Hochschulen und ihre Angehörigen in der Gesellschaft einnehmen. Hochschulrechenzentren sind Einrichtungen der Hochverfügbarkeit. Die Heterogenität der Angebote sorgt für großen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern mit Spezialwissen. Diese haben einerseits eine hohe Arbeitsbelastung und aufgrund der beschränkten öffentlichen Mittel oft keine Vertreter. Tarifverträge geben zudem wenig Raum für Arbeit am Wochenende. Stabilität und Erreichbarkeit der Systeme müssen also zunehmend automatisiert gewährleistet werden, da an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht Personaleinsätze nicht möglich sind. HRZ werden als Organisationen des Öffentlichen Dienstes zudem durch Bürokratie, lange Wartezeiten und komplexe Entscheidungsfindungsund Bewilligungsprozesse eingeschränkt. Unser Szenario zeigt hier einiges Innovationspotenzial auf. 3 Informatikdienste und die zukünftigen Anforderungen Die European Internet Foundation hat im März 2014 eine neue Langzeitprognose technologischer, wirtschaftlicher und soziopolitischer Trends im digitalen Bereich vorgelegt. Die Befunde fasst die Studie mit der Trendaussage zusammen: \?Von der Massenkollaboration zur Wissensgesellschaft“. Die erwartete umfangreiche Digitalisierung und ihre Folgen werden sich, so die Prognosen, in Ökonomie und Gesellschaft tiefgreifend auswirken. Die Bedeutung der Digital Divide wird größer, aber nicht Besitz und auch nicht Verfügbarkeit werden 2030 noch die Trennung verursachen, sondern die Fähigkeit, digitale Medien sozial und ökonomisch einzusetzen. Daraus ist auf einen umfassenden Schulungsund Beratungsbedarf zu schließen. Die Studie gibt zahlreiche Anhaltspunkte, dass neue Formen von sozialen und ökonomischen Beziehungen neue Formate an Diensten benötigen werden. Das Netzwerkunternehmen Cisco [Ci11] fokussiert die Wirtschaft, genauer den Arbeitsplatz von morgen, und erhebt dazu die Erwartungen und Ansprüche der nächsten Generation von Mitarbeitern bei 3000 Personen zwischen 18 und 29 Jahren in 14 Ländern. Sie gibt ein recht gutes Bild von der Digitalisierung des Arbeitsplatzes, die die kommende Generation erwartet. Die jüngste Studie des Frankfurter Zukunftsinstitutes über Lebensstile [Hu14] erklärt, wie die Fragmentierung der Lebenswelten und -stile angesichts einer Explosion der Möglichkeiten weiter zugenommen hat. Sie kondensieren 10 Lebensstile, deren 1829 Heterogenität Bezeichnungen belegen wie \?Creativiteens: teenager unterwegs vom Mitmach-Web ins Mitmach-Leben“, \?Business-Freestyler: Jung, gebildet, ehrgeizig, erfolgreich - und Lebenskünstler“ oder \?Silverpreneure: Vom Beruf zur Berufung in der Anti-Ruhestandsgesellschaft“. Die Titel verweisen auf eine breite Palette von Situationen und Visionen, mit denen künftige Kunden ein \?IT-Stadtwerk“ ansprechen könnten. Der auf die E-Learning-Branche bezogene Trendbericht des MMB-Institutes [Mi13] nennt bei den mittelfristigen Technologietrends das Mobile Learning, Social Media bzw. Social Learning, MOOCs sowie Cloud Computing und Software as a Service. Der aktuelle Bericht aus dem gleichen Haus [Mi14] fokussiert lediglich einen Technologietrend, nämlich das adaptive Lernen bzw. intel igente tutorielle Systeme. Hierin deckt sich die Prognose mit der der European Internet Foundation, die auch auf die wachsende Bedeutung der Softwareentwicklung für das Lernen hinweist. Die großen Zukunftstrends betreffen auch die Hochschulen. Bereits heute ist absehbar, dass die Globalisierung auf deutsche Hochschulen deutliche Auswirkungen hat. Gruß [Gr13] fasst wichtige Aspekte dieser Diskussion zusammen. Einerseits werden die Universitäten als Organisationen bezüglich Funktionen wie Rekrutierung, Fachkräfteausbildung, Marketing und Employer Branding neue Wege beschreiten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist doch das Umfeld der Hochschulen heute hoch kompetitiv auf globalem Niveau. Die Demographie erzwingt neue Rekrutierungsmethoden und eine Profilschärfung. Das Image bzw. der Employer Brand ist eine wichtige Größe auch für Hochschulen geworden, die ebenso wie Unternehmen im Wettbewerb um die besten Köpfe für Forschung und Lehre stehen. Der eher technologieorientierte Horizon-Report [NE14] ermittelt für Hochschulen eine große Wirkung von Softwareentwicklungen und einen weiter wachsenden Qualifizierungs- und Kompetenzbildungsbedarf sowie neue Lehrmodelle. Auch hier prognostizieren die Experten eine deutliche Öffnung der Hochschulen bei gleichzeitigem Bemühen um die Erhaltung der Relevanz von Hochschulbildung. Diese auf Bildungstechnologien bezogenen Zukunftsstudien ergeben im übrigen auch zu älteren Studien ein kongruentes Bild (vgl. z.B. [Mu05], [Pu05] [Mi06]). Auf strategische und kontextuelle Entwicklungen beziehen sich Staley und Trinkle [ST11]. Die Hochschuldozenten würden globaler und die Studenten mobiler werden. Die Hochschule werde \?unsichtbarer“, womit Bezug genommen wird auf die Entgrenzung der Hochschule. Weitere wichtige Einflussfaktoren seien die neuen demographischen Merkmale der Studentenschaft und der wachsende Druck, einen klaren Mehrwert im Studium zu zeigen. Neue Lernangebote müssten auch mittlere Qualifizierungsniveaus ansprechen und lebenslange Lernpartnerschaften angestrebt werden. Die Aussagen von Quitney et al. [QBR12] decken sich mit diesen Prognosen weitgehend. Elkana und Klöpper [EK12] diskutieren die Auswirkungen gängiger neoliberaler Wirtschaftsauffassung auf das (künftige) Handeln der Hochschulen und empfehlen eine humanistisch inspirierte Reorientierung auf die Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft. In den Abschnitten über Demokratie und Bildung sowie über die digitale 1830 Universität argumentieren sie dabei durchaus auch in einem Sinne, der unsere Position legitimiert. 4 Informatikdienste der Hochschule auf dem Weg zum \?IT-Stadtwerk“ Dieser Abschnitt skizziert grob eine Neukonzeption von HRZ als \?IT-Stadtwerke“. Für die Entwicklung dieses Szenarios motiviert uns auch eine derzeit vehement geführte Diskussion, die die Durchdringung praktisch aller Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft durch große Provider wie Google, Facebook, Yahoo und andere thematisiert. Exemplarisch belegen dies die Kritiken von Dams et al. [Da14] (ebenso auch [We09] und [KR12]) bezüglich der kritischen Folgen für Privatsphäre und Datenschutz der Verbraucher und für die Wettbewerbsbedingungen der (deutschen) Wirtschaft. Auf dem Weg vom HRZ zum IT-Stadtwerk mit \?digitalem Versorgungsauftrag“ sehen wir vorrangig zwei Bereiche für das Leistungsportfolio, und zwar Innovation und Community Informatics. Der erste Bereich, Innovation, umfasst Dienstleistungen für hochschulinterne und -nahe Anspruchsgruppen. Spin-Offs, studentische Start-Ups und Initiativen profitieren von der Hochschule als alternativem Inkubator. Im Lichte unserer Diskussion sind hier \?As a Service“-Dienstleitungen denkbar, die bereits heute im Angebotsportfolio einiger HRZ enthalten sind. Diese können unbürokratischer und möglichst automatisiert zur Verfügung gestellt werden. Projektmittel mit einem niedrigen dreistelligen Betrag (wie es bereits auf Studiengangsebene möglich ist) sollen kurzfristig Handlungsspielraum geben. Räume für professionelle Meetings und Präsentation sowie professionelle Coachingangebote durch Lehrbeauftragte decken den kurzfristigen Bedarf für die Professionalisierung von Studienprojekten ab. Zu klären ist hierbei (auch auf juristischer Ebene), inwiefern die unterstützten Studierenden zu Gegenleistungen verpflichtet werden können. Bestehende Start-Up-Kompetenzzentren der Hochschulen können Innovationen weiter fördern. Synergien sehen wir darin, dass Studierenden ein breites Leistungsportfolio rund um die Gründung eines Unternehmens geboten wird. Forschungsprojekte in den Human- und Geisteswissenschaften leiden oft unter mangelndem Zugang zu IT-Kompetenz. Die \?IT-Stadtwerke“ können Forschungsprojekten unbürokratisch Informatikerleistungen bereitstellten. Projekte mit breiter empirischer Basis können bspw. mit \?Data Mining“-Expertise arbeiten, ohne eine volle Stelle dafür in Ihrem Projekt einplanen zu müssen. Eine solche organisationale Struktur begünstigt das Einwerben von Drittmitteln für interund transdisziplinäre Projekte und fördert die Attraktivität eines Forschungsstandortes. Der zweite Bereich, Community Informatics, richtet sich an hochschulexterne Anspruchsgruppen. Der Grundgedanke ist eine Art Bürgerbüro, das als Anlaufstelle für Fragen zur digitalen Gesellschaft dient und den niederschwelligen Einstieg in die Verwendung von Open-Source-Programmen ermöglicht. Die NSA-Affäre, der 1831 \?Heartbleed-Bug“ und massenhaft gestohlene Passwörter haben einen Vertrauensverlust in die digitale Wirtschaft, aber auch in öffentliche Organisationen und die Regierung bewirkt. Eine bürgernahe physische Anlaufstelle würde helfen, Internettechnologien begreifbar zu machen. Auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten technischer Laien ausgerichtete Informationsangebote stärken die gesellschaftspolitische Wahrnehmung der Hochschule und kommunizieren deren Verantwortung über den akademischen Betrieb hinaus. Gleichzeitig intensiviert die Hochschule so ihren Austausch mit der Gesellschaft und wird auch für Nichtakademiker als Lernort attraktiv. \?Kryptoparties“ beispielsweise stellen einen niederschwelligen Zugang zum Verständnis von Datensicherheit und der praktischen Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen mit Open-Source-Software wie beispielsweise mit der E-Mail-Verschlüsselung mit PGP dar. Erste Schritte in die Richtung Community Informatics macht die TU Berlin. Heise.de [He13] berichtet, die TU Berlin betreibe eine der größten Installationen von ownCloud weltweit. Auch die ETH Zürich setzt die Software unter dem Namen \?polybox“ ein. ownCloud ist eine Open-Source Alternative für Clouddienste, wie sie auch von Google, Apple, Microsoft und DropBox angeboten werden. Der Funktionsumfang reicht von Cloudspeicher (ähnlich Google Drive, DropBox, SkyDrive) bis hin zu Adressbüchern (Google Contacts) und Kalendern (Google Calendar), die man über eine Weboberfläche erreicht. Die Dateien, Kalender und Adressdaten liegen in diesem Fall bei der TU Berlin und nicht mehr bei einem Anbieter in den USA. Über einen Desktop-Client, CalDAV-, WebDAV- und CardDAV-Schnittstellen können verschiedene Geräten Dateien, Kontakte und Termine synchronisieren und teilen (genau wie mit der Produktfamilie von Google). Studierende werden so unabhängig von proprietären Diensten, deren Geschäftsbedingungen die Datensicherheit, den Datenschutz und die Urheberrechte kompromittieren. Im Sinne der Community Informatics kann das \?IT-Stadtwerk“ darüber hinaus als zentraler Anbieter für eine kommunale Open-Data-Plattform fungieren und über hochschulrelevante Themen hinaus Schnittstellen (APIs) anbieten. Damit trüge es zur Anwendung des {\S}12EGovG (E-Government-Gesetz) bei, welches die Bereitstellung von maschinenlesbaren Datenbeständen fordert. Bruckner et al. [Br14] zeigen ein weiteres potentielles Nutzungsfeld im Sinne einer Communiy Informatics, nämlich die zunehmende Informatisierung von Gebäuden, auch und gerade im privaten Bereich. Die Autoren beschreiben, wie Computernetzwerke aufgebaut, aber auch Gebäudeund Wohnfunktionen informatisiert werden. Dies können Funktionen sein, die von einem potentiellem Informatik-Stadtwerk geschult, unterstützt oder mitgetragen werden. Das \?IT-Stadtwerk“ richtet das HRZ auf Bürgerdienste und gesamtgesellschaftliches Engagement hin aus und eröffnet so den Bürgern einen niederschwelligen Zugang zu Informatik-Kompetenz und den Hochschulen neue Möglichkeiten der Finanzierung und Positionierung in der Öffentlichkeit. 1832 Dabei muss ein \?IT-Stadtwerk“ nicht an einem Ort allein bestehen. HRZ einer Region können sich zusammenschließen und dem damit geschaffenen IT-Stadtwerksverbund gegenseitig ihre Services anbieten. So können sie ihre Zuständigkeits- und Aufgabenspektren erweitern und das zu bewältigende Arbeitspensum aufteilen. Vorstellbar ist, dass ein Mitglied beispielsweise Moodle als Service und den Nutzersupport dazu anbietet, ein anderes betreibt ownCloud-Server. Die Nutzung dieser Services durch hochschulinterne und -externe Gruppen im Verbund kann über ein Single-Sign-On-Verfahren realisiert werden. Die Heimathochschulen können, wie auch schon bei DFN und eduroam, als Identity Provider fungieren. 5 Schluss: Kritische Perspektiven auf das Szenario Das Konzept der \?IT-Stadtwerke“ beinhaltet eine strategische Neuorientierung der HRZ auf Innovation und Community Informatics. In der Funktionsbezeichnung Community Informatics ist bereits angesprochen, dass solche Einrichtungen den großen (US- amerikanischen) Providern nicht die Stirn bieten können. Aber sie können sicher zur Sensibilisierung und Kompetenzbildung ihrer Umgesellschaft beitragen. Klar ist weiterhin, dass eine solche Ausrichtung die bestehende Heterogenität und Komplexität in Struktur und Angebot sowie häufig existierende Überlasten von HRZ weiter herausfordert. Daher ist denkbar, dass die IT-Stadtwerke als zusätzliche Abteilung bestehender HRZ geführt werden, statt dass diese insgesamt umgestaltet würden. Essentielle Vorbedingung für deren Wirken wird dann sicher die Abklärung rechtlicher Rahmenbedingungen sein. Eine solche Umstrukturierung kann und soll hier nicht mehr konkret ausgearbeitet werden. Im Bedarfsfall müsste dies gemeinsam mit Partnern etwa eines Pilotprojektes in Angriff genommen werden. Die im Artikel angesprochenen Beobachtungen verweisen zuerst auf eine veränderte Kommunikation und Führung im Betrieb. Eine innovative IT- Strategie braucht Maßnahmen zur Neuregelung interner Kommunikation und Entscheidung, bei der Führungskräfteentwicklung und der Ausprägung einer Kundenorientierung (vgl. [Vo03]). Rechenzentren werden zunehmend auch gefordert sein, das Unvorhersehbare zu managen. Ihr Management muss daher nicht nur betriebswirtschaftlich und kundenorientiert, sondern auch veränderungsfähig sein (vgl. [De12]). Weick und Sutcliffe [WS10] geben Ratschläge für die Führung von Organisationen, die - wie auch die HRZ - eine hohe Verlässlichkeit sicherstellen müssen. Die zitierte Lebensstilstudie [Hu14] lässt weiter vermuten, dass rasch wechselnde und auch konfligierende Erwartungen der Mitarbeiter, Kunden und Partner hohe Ansprüche an das Management stellen werden. Mit neuen Produkten, Prozessen, Kunden, Partnern und Mitarbeitern werden die Struktur, aber auch die Grenzziehung der Organisation neu zu definieren sein. Jung [Ju10] problematisiert, wie viel oder wenig Grenze eine Organisation verträgt und braucht. Er empfiehlt, gezielt und variantenreich die Außenbeziehungen zu gestalten und die Öffnung der eigenen Grenzen aktiv zu gestalten. Organisationale Grenzen werden auch neue Beschäftigungsformen bedeuten. Mayrhofer et al. [MM02] haben die neuen Selbstständigen in Zusammenhang mit der organisationalen Grenzziehung der 1833 Organisation gebracht. Die Frage prekärer Beschäftigungsverhältnisse wird auch hier Thema werden. Die große Komplexität des Prozesses lässt eine Umsetzung frühestens in mittlerer Sicht, also in einem Zeitraum von 3-5 Jahren erwarten. Gesamtgesellschaftliche Entwicklungen bspw. der Digitalisierung und Automatisierung lassen jedoch erwarten, dass der Handlungsdruck zunimmt und bereits vorher strategische Initiativen wie diese etwa in Prototypen umgesetzt und evaluiert werden. Literaturverzeichnis [At13] Attwood, H., Diga, K., Braathen, E., May, J., 2013. Telecentre functionality in South Africa: re-enabling the community ICT access environment. J. Community Inform. 9, 1- 10. doi:http://ci-journal.net/index.php/ciej/article/view/970/1060 [Br06] Bradley, G., 2006. Social and community informatics: humans on the net. Routledge, Abingdon, Oxon ; New York. [BBS07] Brandl, R., Bichler, M., Ströbel, M., 2007. Cost accounting for shared IT infrastructures: Estimating resource utilization in distributed IT architectures. 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News-Meldung von heise.de vom 08.05.2013.

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Strehl, Steven; König, Andreas (2014): Hochschulrechenzentren als IT-stadtwerke - konzeption und kritische diskussion innovativer IT-dienstangebote von hochschulen. Informatik 2014. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.. PISSN: 1617-5468. ISBN: 978-3-88579-626-8. pp. 1825-1836. Stuttgart. 22.-26. September 2014

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