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Konferenzbeitrag

Die sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsdiskussion und mögliche Konsequenzen für das Softwaremanagement

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2012

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Gesellschaft für Informatik e.V.

Zusammenfassung

Was ist mit Nachhaltigkeit eigentlich gemeint? Salopp gesprochen, geht es für uns alle darum, nicht weiter so zu tun, als hätten wir eine zweite Welt als ständige Notfallreserve im Kofferraum. Wissenschaftlicher formuliert heißt das: Die konventionelle, material- und energieintensive Wirtschaftsweise ist nicht zukunftsfähig. Wir leben in unserem „Raumschiff Erde“ über unsere Verhältnisse, weil Rohstoffe und Schad-/Abfallstoffe – beim derzeitigen Stand der Technik und vielleicht sogar prinzipiell – nicht beliebig beschafft, recycelt bzw. entsorgt werden können. Also brauchen wir „nachhaltige“ Handlungsalternativen. „Nachhalt“ meint etymologisch „etwas, das man für Notzeiten zurückbehält“, das Rückhalt liefert. Nachhaltige Entwicklung ist das Leitbild der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik. Nachhaltigkeit ist ein Normen setzendes Konzept, das uns alle zu einem veränderten Verhalten auffordert. Danach sollte jeder Mensch an seinem Arbeitsplatz, in seinem Alltag und in seinem Konsumverhalten so handeln, dass er globalen Problemlagen (Umweltschäden, Ressourcenschwund, Armut, sozialen Instabilitäten usw.) Rechnung trägt. Insbesondere sollten auch zukünftige Generationen genügend Gestaltungsmöglichkeiten haben, ihre Bedürfnisse ebenfalls befriedigen zu können. Die Bundesregierung versteht unter „Nachhaltigkeitsmanagement“ die Formulierung von Managementregeln sowie die Bindung der Politik an Ziele und messbare Indikatoren. Ausgangszustände (Nachhaltigkeitsindikatoren) werden mit angestrebten Endzuständen (politisch fixierten Nachhaltigkeitszielen) verbunden. Nachhaltigkeit wird auf diesem Wege messbar, steuerbar und evaluierbar. Die nationale deutsche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt so heterogene Ziele wie: Begrenzung des Flächenverbrauchs; Erweiterung der Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit; Ausbau der erneuerbaren Energieträger, Erhöhung des Anteils des ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche usw. Bildlich veranschaulicht wird das Nachhaltigkeitsprinzip häufig durch das so genannte Nachhaltigkeitsdreieck. Die drei Ecken sind gekennzeichnet durch die Begriffe Ökologie, Ökonomie und Soziales/Kultur. In der Praxis soll es darum gehen, alle drei Ecken derart in Einklang zu bringen, dass gerechte Lebenschancen weltweit für die heutige wie für die folgenden Generationen möglich sind. Umstritten ist dabei, ob alle drei „Ecken“ gleichgewichtig zu berücksichtigen sind oder ob der Ökologie Vorrang zukommt. Ein ganzheitliches und gleichgewichtiges „Dreisäulentheorem“ ist ausgesprochen zerbrechlich, weil es zum „Hineininterpretieren“ beliebiger Interessen geradezu einlädt. Offenkundig ist, dass zwischen den Ecken des Dreiecks zahlreiche Zielkonflikte lauern, die nicht so ohne weiteres entschärft werden können. Beispielsweise ist eine Verlagerung von Arbeitsplätzen in die ärmeren Länder der Welt unter weltweiten Gerechtigkeitsgesichtspunkten sinnvoll. Dadurch aber wird zugleich die aktuelle Arbeitslosigkeit, Armut und soziales Leid in den Industrieländern erhöht und in der Folge die Akzeptanz für eine Politik der Nachhaltigkeit in Frage gestellt. Spannungsfelder dieser Art werden häufig im gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdiskurs überdeckt, indem vorrangig über „Win-Win-Situationen“ gesprochen wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn Individuen Geldvorteile erlangen, weil sie Energie einsparen und dadurch zugleich die nationale Energiewie auch die CO2-Bilanz verbessert wird. Wie kann Nachhaltigkeit realisiert werden? Johan Galtung, ein weltweit bekannter Friedens- und Konfliktforscher, hat auf die Frage, wie die Umsetzung der Nachhaltigkeitsforderung möglich sei, geantwortet: “Buddhistische Eskimos!“ und wollte sagen: Wir müssen nicht nur Buddhisten in unseren Ansprüchen, wir müssen auch Eskimos in unseren Anpassungsfähigkeiten werden. Das bedeutet, wir müssen die Technik weiter verbessern, bei gleichen Produktionsmengen die Schadstofffreisetzungen verringern, den Energie- und Ressourcenverbrauch reduzieren, insgesamt also die Effizienzverbesserung unserer Wirtschaftsprozesse vorantreiben. Wir müssen -besser noch- die Anpassung so gestalten, dass die in der Produktion verwendeten Stoffe im Kreislauf geführt oder biologisch vollständig wieder verwertet werden (Konsistenz). Als dritte Umsetzungsstrategie wird die Bescheidenheit, die Genügsamkeit, der Verzicht (Suffizienz) propagiert, nicht im Sinne der Askese, sondern im Sinne einer neuen positiven Lebensqualität („Ballast abwerfen“). „Mehr sein als haben“: Ein Mehr an Lebensfreude könnte mit der Erfüllung immaterieller Bedürfnisse und z.B. mit einer Befreiung von der „Tyrannei des Auswählen-Müssens“ einhergehen. Ein „immer mehr“ könnte durch ein „immer besser“ abgelöst werden, so die Hoffnung. Das Angenehme auf dieser Welt soll nicht abhandenkommen und muss, wenn es abhanden zu kommen droht, durch Wandel auch für nachfolgende Generationen erhalten bleiben: Das ist die tiefere Hoffnung des Suchprozesses „Nachhaltigkeit“. Aus der Sicht der Bundesregierung ist Nachhaltigkeit ein „dynamischer, gesamtgesellschaftlicher Reformprozess“. Aber Reform und Wandel schaffen stets Gewinner und Verlierer, damit Interessengegensätze und gesellschaftliche Kontroversen. An die von einigen ersehnte, neue Harmonie, an ein „nachhaltiges Gleichgewicht“, kann sich die Gesellschaft realistischer Weise nur dann herantasten, wenn zunächst einmal ein längerer Konflikt um Richtungen, Macht, Ressourcen, Technologien, aber auch um Begriffe, Geschichten und verheißungsvolle Perspektiven einkalkuliert und ausgetragen wurde. „Verheißungsvolle Perspektiven“ gilt es auch im Bereich des Softwaremanagements zu erörtern. Anknüpfungspunkte sind sicherlich der Ressourcenschutz, insbes. die Energieeffizienz, aber z.B. auch die Frage, wo und inwieweit Hardware gezielt durch Software ersetzt werden kann: Früher musste ein zusätzlicher Apparat angeschafft werden, heute reicht häufig eine neue App (Stichwort „iPhone-Ökonomie“). Weitere nachhaltige Perspektiven sind mit Sicherheit noch zu entdecken.

Beschreibung

Jarre, Jan (2012): Die sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsdiskussion und mögliche Konsequenzen für das Softwaremanagement. Nachhaltiges Software Management. Bonn: Gesellschaft für Informatik e.V.. PISSN: 1617-5468. ISBN: 978-3-88579-603-9. pp. 12-14. Regular Research Papers. Bielefeld. 14.-16. November 2012

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