Coy, WolfgangCremers, Armin B.Manthey, RainerMartini, PeterSteinhage, Volker2019-10-112019-10-1120053-88579-396-2https://dl.gi.de/handle/20.500.12116/28032Das angemessene Interface des elektronischen Rechenautomaten ist das Oszilloskop; notfalls tut es auch eine Batterie und ein Meßgerät mit einem geeignetem Meßfühler. Elektrische Signalmessungen brauchen freilich eine semantisch-symbolische Interpretation – typischerweise als Binärzahlen, wenngleich die Nutzung einer Leitung mit mehreren Signalvarianten durchaus üblich ist. Letztere wird freilich vor den Nutzern verborgen. Computern und Netze werden deshalb als Behälter von Nullen und Einsen dargestellt, die Binärzahlen speichern, übertragen und verarbeiten. Die Nähe zu Fernschreibalphabeten wie dem American Standard Code for Information Interchange (ASCII) ist deshalb nicht zufällig und die angemessenen Ein/Ausgabegeräte waren Lochstreifen, Lochkarten oder Fernschreibtastaturen und -drucker. Die Vorstellung, es handle sich beim Fernschreiber um ein “Human-Computer-Inter- face” dürfte nicht sehr wirkmächtig gewesen sein, zumal die Arbeitsweise eines programmierten Rechners über Jahrzehnte mit der Formel “Eingabe–Verarbeitung– Ausgabe” beschrieben wurde. Dies entsprach ja auch weitgehend der Programmierersicht einer Großrechenanlage, deren Hardware vom Programmierer durch eine Mannschaft spezialisierter Operateure getrennt wurde. Mit den Minirechnern, den Programmierten Digitalen Prozessoren wie Ken Olsen seine DEC-Maschinen nannte, wurde der Umgang mit dem Computer zur Event Loop, einer schnellen Folge von Schreib-, Rechen- und Leseakten, die die Tastatur und den 24-zeiligen Bildschirm tatsächlich zu einer Art Schnittstelle zwischen Mensch und Computer werden ließ. Vor allem Douglas Engelbarts Untersuchungen am SRI haben dieses Vorbild von Tastatur und Bildschirm erweitert um das Eingabegerät “Maus”, eine zweidimensionale Eingabehilfe, die, erweitert um Menüs, Grafik- und Textfenster, die Möglichkeit einer malerischen Nutzung des Rechners eröffnete. Engelbart zeigt beides, spezialisierte Hardware und eine Nutzungsvorstellung, die Desktop Metapher, also die Projektion einer Schreibtischoberfläche auf den Bildschirm. Dazu mußten Softwareumgebungen geschaffen werden, die es erlaubten, Interaktionsschritte einer solchen hardwaregestützten Event Loop zu programmieren. Die am benachbarten Xerox PARC-Institut entwickelte Programmiersprache Smalltalk stellte diese bereit – integriert in die Hardware des Xerox Alto Rechners, der auf Grund der Fortschritte der Halbleitertechnik einen Rastergrafikbildschirm mit entsprechend großem digitalen Videospeicher besaß. Der Apple Macintosh popularisierte 1984 diese Idee einer Mensch-Maschine-Schnittstelle – mit heute lächerlich anmutenden 384x512 schwarzen oder weißen Bildpunkten. Kurze Zeit später kam Farbe hinzu und seitdem werden die Bildschirme größer, die Prozessoren schneller, die Speicher umfangreicher. Wenn wir von Human-Computer- Interface oder Mensch-Maschine-Schnittstelle reden, meinen wir heute vor allem die Tastatur und den Grafikbildschirm. Die Frage nach anderen Eingriffen in den Rechner bleibt. 95% aller Prozessoren sind in eingebetteten technischen Systemen, von der Badezimmerwaage und dem Telefon übers Auto bis zur Fabrikanlage. Viele werden durch Sensoreingaben gesteuert und wirken auf technische Aktoren ein. Viele dieser Regelkreise sind vollautomatisch oder Teil einer automatisierten Umgebung, die kaum jemand als Mensch-Maschine-Schnittstelle wahrnimmt. Sensordaten können auch von Menschen generiert werden. Die Übergänge reichen von einfachen Schaltsignalen bis zur komplexen Eingabe mittels virtueller Tastaturen. Datenhandschuh, Datenanzug, Datenbrillen oder Zimmermans Luftgitarre gehören zu solchen sensorgesteuerten Eingabeverfahren. Das Telefon als Mikrocomputer hat zwei eher konträre Entwicklungen der Mensch- Maschine-Schnittstelle befördert: Einerseits scheint das Telefon viel mehr noch als ein Bürorechner für die Steuerung durch Sprachein- und -ausgabe prädestiniert und es gibt auch brauchbare Systeme dafür. Andererseits hat sich die Tastatur-Bildschirmvariante in Formen durchgesetzt, die jedem HCI-Entwickler als grausiger Scherz erscheinen muß. Sowohl SMS, fast ausschließlich geschrieben mittels Zifferntastatur, wie die massenhaft individualisierten Klingeltöne sind eine ökonomisch äußerst erfolgreiche Karrikatur von Mensch-Maschine-Schnittstellen. Am Bürorechner selber hat es auch immer wieder Ansätze gegeben, entsprechende Sensoren als Alternativen zur Maus zu nutzen. Grafiktablets und -griffel haben einen spezialisierten Markt des CAD oder der Grafik gefunden. Und es gibt einen eigenen Markt spezialisierter Ein/Ausgabegeräte für Computerspiele. Die vielleicht fortgeschrittensten Computerschnittstellen sind bei den Ein/Ausgabe- techniken für Behinderte und Militärs zu finden: Die Steuerung des Rechners über Gehirnsignale. Trotz jüngster Erfolge sind diese Techniken noch zu sehr in ihren Anfangsgründen, um ihre Erfolgsaussichten zu beurteilen. Was fehlt also auf dem Weg zu einer “ultimativen Schnittstelle”? Jede Ein/Ausgabe-Schnittstelle hat wenigstens drei Komponenten: eine sensorgesteuerte Hardware, eine hinreichend transparente Software und eine verständliche und erlernbare Vorstellungswelt, in der die Nutzung dieser Schnittstelle den Nutzern einleuchtet. Offensichtlich hapert es vor allem an der dritten Komponente, so daß uns Tastatur und Grafikbildschirm wohl noch einige Zeit als universelle Schnittstelle begleiten werden.deAuf dem Weg zur ultimative SchnittstelleText/Conference Paper1617-5468