Auflistung nach Autor:in "Klemm, Helmut"
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- ZeitschriftenartikelEin großes Elend(Informatik-Spektrum: Vol. 26, No. 4, 2003) Klemm, HelmutMoses war InformatorOntologische und erkenntnistheoretische Aspekte bilden, wie der Informationswissenschaftler Rafael Capurro ermittelt hat, den „Kern“ in der gesamten Bedeutungsentwicklung von „Information“. In der Antike bezeichnen die Begriffsvarianten zum Beispiel organische und biologische Phänomene wie die Gestaltwerdung des Fötus, aber auch die Formung des Leibes durch die Seele und sogar die Disposition in der Rhetorik. Das Denkvermögen ist nach Aristoteles die „Form der Formen“. Der pädagogische Gebrauch beginnt ebenfalls in der Antike – Moses wird von lateinischen Autoren „informator populi“ genannt – und hält sich bis in die späte Neuzeit. Erziehung ist bei Thomas von Aquin „educatio“, Bildung „informatio“. Im 15. Jahrhundert wird „informieren“ im pädagogischen Sinn ins Deutsche übernommen und bleibt lange Zeit als einzige Bedeutung geläufig. Für Leibniz betrifft „informatio“ den gesamten Menschen, „didactica“ ist nur Wissensvermittlung. Im 18. Jahrhundert geht der ganzheitliche Aspekt – betrieben vor allem durch Wieland – auf den Bildungsbegriff über. Der „Informator“ wird dabei abgewertet. Er ist Hauslehrer, manchmal auch Hofmeister oder – wie bei Kant – „bloß ein Lehrer“, ein Schulmann; der Hofmeister muss nach Kant dagegen „Führer“ sein, der auf das Leben vorbereitet. Dieser Verlust der pädagogischen Bedeutung gilt als eines der großen Rätsel in der Begriffsgeschichte von „Information“. Während der gesamten Neuzeit schieben sich erkenntnistheoretische Aspekte in den Vordergrund, ontologische verblassen. Explizit zur Beschreibung des Erkenntnisprozesses eingeführt wurde der Begriff aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Engländer William Whewell. Dabei knüpfte er an die antike Tradition an, in der Information auch im Sinne von „Vorstellung“ oder „Begriff“ verwendet worden war.Juristische Bedeutungen kommen im Mittelalter neu hinzu – „informare se“ wird zum Beispiel als „sich erkundigen“ verstanden. Diese Entwicklung beginnt in Frankreich, setzt sich in England fort und erreicht im 18. Jahrhundert den Höhepunkt. Im Artikel „Information“ der Enzyklopädie von 1765 wird ausschließlich dieser Aspekt behandelt. Dort gibt es Verweise auf Bedeutungen im Sinne von Nachforschung, Ermittlung und Bericht. In deutschen Lexika erscheint im 19. Jahrhundert der Terminus „Informativprozeß“ – gemeint ist damit: von Amts wegen gerichtliche Nachforschungen anstellen.Im Englischen wird im 19. Jahrhundert „scientific information“ – wissenschaftliche Information – als grundlegend für die industrielle Entwicklung erkannt. Die Bezeichnung „information theory“ ist in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts geläufig geworden.In Deutschland ist „Information“ später als in England und Frankreich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingegangen. Die maßgebliche Bedeutung als Nachricht, Mitteilung oder Auskunft ist laut Capurro eher im Sinne des griechischen Begriffs „Botschaft“ – angelia – zu verstehen. Wesentlich sind dabei die Aspekte, die auch der journalistischen Bedeutung zugrunde liegen – sachlich, nützlich, neu.