DGLR-Bericht (2015-01)
Der Fachausschuss L6.4 Anthropotechnik der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt – Lilienthal-Oberth e.V. (DGLR) veranstaltete am 25. und 26. November 2015 in Rostock die 57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik. Die diesjährige Sitzung behandelte das Thema „Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung“.
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- KonferenzbeitragErgonomische Einbindung des Sensor-Operateurs in eine MUM-T / Multi-UAV-Umgebung: Problemanalyse, Konzeptdarstellung und erste Modellbildung(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Stütz, Peter; Ruf, ChristianDas Institut für Flugsysteme (IFS) der Universität der Bundeswehr München (UniBwM) beschäftigt sich mit der menschzentrierten Assistenz im Bereich von aufklärenden Sensorsystemen in MUM-T-Umgebungen. Dabei werden sensortragende UAVs aus einem bemannten Helikopter heraus geführt. Dieser Beitrag stellt einen Konzept- und Realisierungsvorschlag für ein Assistenzsystem vor, welches die Crew bei der luftgestützten Aufklärung mit Missionssensoren durch den Einsatz variabler Automation unterstützen soll. Durch den gezielten Vorschlag von automatisierten Funktionalitäten in den Bereichen des Aufklärungs- und Sensormanagements, der Nutzlaststeuerung sowie der Sensordatenauswertung an den Operateur sollen dessen Aufgabenbelastung und damit die Arbeitsbelastung durch aktive Moderation auf ein akzeptables Maß reduziert werden. Dabei werden die aktuelle Aufgabensituation, die situative Beanspruchung der Crew sowie potentielle Beitragsfähigkeiten und Limitationen der automatisierten Funktionen mitbetrachtet. Eine gezielte Adaption des Automationsgrades im Sinne des Paradigmas der variablen Automation berücksichtigt explizit die Leistungsfähigkeit der unterstützenden Systeme mit. Dadurch wird deren Eignung zur Vereinfachung einer konkreten Aufgabensituation mit in die Auswahl des Automationslevels der Sensorautomation und damit den Unterstützungsgrad des Operateurs einbezogen. Für die Umsetzung des Konzepts wurde zur Wissensakquise und Modellbildung eine Human-in-the-Loop-Mess-kampagne durchgeführt. Deren Durchführung und Ergebnisse sowie der Aufbau und die Ableitung eines ersten Aufgabenmodells als Teil des Konzepts daraus werden im Verlauf detailliert erläutert.
- KonferenzbeitragVerhindern von Pilotenfehlern durch ein zustandsadaptives Assistenzsystem(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Theißing, Nikolaus; Liegel, Anja; Schulte, AxelBei der Missionsführung moderner Fluggeräte wird zunehmend von komplexer Automatisierung Gebrauch gemacht, die den Piloten entlastet und im Falle eines unbemannten Fluggeräts die Abhängigkeit von einer durchgehend bestehenden Datenverbindung reduziert. Bedient der Pilot seine Systeme jedoch fehlerhaft, verhält sich auch die Automation fehlerhaft und es können Gefährdungen auftreten. Ein solches menschliches Fehlverhalten soll vermieden werden, indem dem Piloten ein Assistenzsystem zur Seite gestellt wird. Dieses soll ihn im Vier-Augen-Prinzip bei der Systembedienung unterstützen. Das Assistenzsystem beobachtet dabei sowohl den Piloten als auch die Umwelt. Im Falle kritischer Situationen unterstützt es den Piloten kooperativ durch Hinweise, Vorschläge, Hilfestellung und Aufgabenübernahme. Mit unserer Forschung stellen wir ein Assistenzsystem vor, das Zeitpunkt und Art seiner Intervention adaptiv an den mentalen Zustand des Piloten anpasst. Dazu nimmt es eine modellbasierte Beobachtung und Interpretation des Piloten-verhaltens vor. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist es, den Piloten effektiv zu unterstützen, ohne ihn zu belasten, zu unterfordern oder abzulenken. In Abhän-gigkeit seiner kognitiven (Arbeits-)Prozesse soll er stattdessen zum passenden Zeitpunkt, auf passende Weise und mit der passenden Information unterstützt werden. Das Assistenzsystem wurde am Anwendungsfall unbemannter Aufklärungsflüge umgesetzt. Der Nutzen der Unterstützungsleistung konnte in einer Mensch-Maschine-Experimentalkampagne gezeigt werden.
- KonferenzbeitragKooperativität und Arbitrierung versus Autonomie: Grundsätzliche Überlegungen zur kooperativen Automation mit anschaulichen Beispielen(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2016) Flemisch, Frank; Baltzer, Marcel; Altendorf, Eugen; López, Daniel; Rudolph, ClaudiaNach Jahrzehnten der Forschung an Assistenz- und Automationssystemen in vergleichsweise getrennten Domänen wie Robotik, Luftfahrt, Straßenfahrzeuge und Smart Homes / "smarten" Infrastrukturen kristallisiert sich die Kooperation zwischen Menschen und intelligenten Maschinen als wichtiges, domänen-übergreifendes Leitmotiv für die Forschung und Entwicklung von Mensch-Maschine-Systemen heraus. Der Beitrag gibt eine kurze Übersicht des Kooperationsbegriffes, startend mit der Mensch-Mensch-Kooperation beim kooperativen Jagen z.B. mit den Schöninger Speeren, was Tomasello (2014) als wichtigen Meilenstein für die Entwicklung der menschlichen Intelligenz herausarbeitet, hin zur allmählichen Definition der Mensch-Maschine-Kooperation, z.B. über Rasmussen (1983) und Hollnagel und Woods (1983), Hoc (2000), Flemisch et al. (2003), Holzmann (2007), Biester (2008), Pacaux und Debernard (2007). Kooperativität wird kompetitivem Verhalten gegenübergestellt, wesentliche Faktoren von Kooperativität, wie ausreichende, aber nicht zu hohe Autonomie, äußere und innere Kompatibilität in Form von kompatiblen Ziele- und Wertesystemen sowie ein Minimum an Arbitrierungsfähigkeit zur Auflösung von Spannungen und Konflikten zwischen Kooperationspartner, beschrieben. Die theoretischen Aspekte werden an zwei praktischen Beispielen veranschaulicht: Einerseits die kooperative Fahrzeug-automatisierung, bei der sich Kooperationsnetzwerke aus vertikaler (Fahrer-Automations-) Kooperation und horizontaler Kooperation zwischen Fahrzeug-systemen herausbilden, und zu der gerade ein Schwerpunktprogramm der DFG "Kooperativ interagierende Fahrzeuge" unter Mitwirkung der Autoren startet. Das zweite Beispiel der automatisierten Pariser Toiletten soll veranschaulichen, wie weit Automatisierung bereits in alle Lebensbereiche vorgedrungen ist. An einem Vorfall, den der Lead-Autor kürzlich in Paris beobachtet hat, wird - zugespitzt, aber immer politisch korrekt - herausgearbeitet, welche Auswirkungen es haben kann, wenn automatisierte Systeme nicht kooperativ genug ausgelegt sind.
- KonferenzbeitragEine RPAS-Bodenstation mit Panoramabildschirm(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Lenhart, Peter Marcus; Gammelin, JakobUnbemannte Luftfahrzeuge sollen schrittweise in das Europäische Luftverkehrssystem integriert werden. Neben dem Fluggerät gehört eine Bodenstation zu den Kernkomponenten solcher Remotely-Piloted Aircraft Systems (RPAS). Für einen sicheren Flugbetrieb muss die Bodenstation (Remote Pilot Station, RPS) eine effektive und effiziente Kooperation zwischen Mensch und Maschine sicherstellen. Insbesondere muss die RPS so gestaltet sein, dass die Situation Awareness des Remote Pilot jederzeit gewährleistet ist. Am Zentrum für Aviatik der ZHAW wird dazu der Prototyp einer Bodenstation mit Grossformat Panoramabildschirm entwickelt. Als Anzeigemedium wird ein grosser, hochauflösender Panoramabildschirm (4K Display) mit 140 cm Bildschirmdiagonale eingesetzt. Drei originäre Anzeigeformate wurden definiert und implementiert: Perspective Situation Display (PSD), Horizontal Situation Display (HSD) und System Situation Display (SSD). Die Sensorsicht der Bordkamera bildet eine vierte Anzeige welche die synthetische Sicht in PSD und HSD ergänzt. Die Gestaltung der synthetischen Sicht im PSD berücksichtigt den dislozierten Arbeitsplatz eines Remote Pilot (exozentrische Perspektive) und unterscheidet sich damit wesentlich von einer solchen Anzeige in einem bemannten Luftfahrzeug. Es wurden verschiedene Varianten für die Anordnung der vier Anzeigen auf dem Panoramabildschirm entwickelt. Parallel wurde eine Versuchsmethode ausgearbeitet und validiert um die Gebrauchstauglichkeit der verschiedenen Varianten systematisch zu untersuchen. Dabei kommt ein kombiniertes Eye- and Head-Tracking System zum Einsatz, welches ebenfalls am Zentrum für Aviatik entwickelt wurde.
- KonferenzbeitragEmotionsmodell für zukünftige Mensch-Technik-Schnittstellen zur Unterstützung von Centerlotsen(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Pfeiffer, Linda; Müller, Nicholas Hugo; Valtin, Georg; Truschzinski, Martina; Protzel, Peter; Ohler, Peter; Rosenthal, PaulDie Arbeit von Fluglotsen in Radarkontrollzentralen (sog. "Centerlotsen") findet in den meisten Fällen in Teams, bestehend aus zwei Lotsen, statt. Während der Radarlotse den Radarschirm im Auge behält, dem Piloten über Funk Anweisungen gibt und Freigaben erteilt, koordiniert sein Kollege die Schnittstellen zu den benachbarten Sektoren. Er gleicht beispielsweise Übergabehöhen ab und unterstützt den Radarlotsen. Für eine gute und verlässliche Zusammenarbeit, die der großen Verantwortung der Centerlotsen gerecht wird, ist eine optimale Abstimmung und verbale wie auch nonverbale Kommunikation unter den Lotsen notwendig. Da eine solche Kommunikation sehr sensibel in Bezug auf emotionale und stressrelevante Faktoren erscheint, ist die Untersuchung und Modellierung der psychologischen Komponenten des Fluglotsenteams ein Teil eines vor einigen Monaten gestarteten Projektes der Technischen Universität Chemnitz in Zusammenarbeit mit der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH. Auf Basis dieses Emotionsmodells wird eine neuartige Mensch-Technik-Schnittstelle für Centerlotsen entwickelt, die an die aktuelle Situation des Lotsenteams angepasst werden kann und damit eine höhere Verlässlichkeit und Effizienz erreicht. In dieser Arbeit präsentieren wir erste Ergebnisse und zukünftige Planungen aus diesem Projekt. Detaillierte qualitative Untersuchungen der Fluglotsenteams und deren Arbeitsweisen haben schon zu konkreten Modellen und Eigenschaften der Zusammenarbeit geführt. Auch die Art und Weise, wie die hochspezialisierten Centerlotsen einige prävalente Teilaufgaben lösen, und die Gründe für diese Herangehensweisen wurden ergründet. Die Erkenntnisse sind bereits in Planungen für eine innovative adaptive Nutzerschnittstelle eingeflossen, welche auch vorgestellt werden. In Zusammenarbeit mit einem auf den Anwendungsfall adaptierten Emotionsmodell des Teams wird den Fluglotsen in jeder Situation eine optimale Mensch-Technik-Schnittstelle angeboten.
- KonferenzbeitragEvidenzbasierte Pilotentätigkeitserkennung unter Berücksichtigung unterschiedlich zuverlässiger Beobachtungen(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Honecker, Fabian; Schulte, AxelWorkload-adaptive Assistenzsysteme sollen den Menschen in kritischen Beanspruchungssituationen möglichst aufgabenorientiert unterstützen. Die Beanspruchung wird dabei im Wesentlichen durch die Pilotentätigkeit, also denjenigen Aufgaben, mit denen sich der Pilot gegenwärtig beschäftigt, bestimmt. Um ein Workload-adaptives Assistenzsystem zu realisieren, ist es deshalb erforderlich, diese Aufgaben maschinell und in Echtzeit zu ermitteln, was den Fokus dieses Beitrags darstellt. Dies soll im Umfeld bemannt-unbemannter Hubschraubermissionen untersucht werden. Als Methode wird dabei eine vereinfachte Version der Evidenztheorie von Dempster und Shafer angewendet. Sie erlaubt eine echtzeitfähige, flexible und robuste Erkennung von Tätigkeiten auf Basis von Beobachtungen und ist dabei in der Lage, auch mit widersprüchlichen Beobachtungen umzugehen.
- KonferenzbeitragDie Entwicklung sicherheitsgerichteten Führungsverhaltens zur Bewältigung von kritischen Systemzuständen durch Leitwarten-Teams in der Kerntechnik(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Ritz, Frank; Koch, JuliaDieser Beitrag widmet sich der Entwicklung eines Konzepts zum Training des Führungsverhaltens im Team zur Bewältigung unerwarteter Situationen, in denen kritische Systemzustände nicht - oder nur im geringen Maße - durch standardisierte Prozeduren sicherheitsgerichtet kontrolliert und bewältigt werden können. Dabei steht die Ermittlung von erfolgskritischen Prädiktoren zur sicherheitsgerichteten Anpassung des Führungsverhaltens beim Wechsel auf einen flexiblen Team-Arbeitsmodus im Fokus. Der verantwortliche Schichtchef einer Kernkraftwerksleitwarte ist in diesem Kontext als Führungskraft durch eine koordinative Doppelaufgabe herausgefordert: 1. durch die Moderation des kollektiven Problemlösungsprozesses im Team und 2. durch die inhaltliche Beurteilung des im Team als Lösung entwickelten Handlungsplans (an dem er selbst beteiligt ist). Hinzu kommen eine zu treffende Ausführungsentscheidung sowie ggf. die Anordnung zusätzlich erforderlicher Anpassungshandlungen durch das Team. Aufbauend auf Ergebnissen des angewandten Forschungs- und Entwicklungsprojekt (aF[and]E-Projekt) TeamSafe wird derzeit das aF[and]E-Projekts LeadSafe vorbereitet, dessen Ergebnisse in ein spezifisches simulatorgestütztes Training des Führungsverhaltens münden werden. Der vorliegende Beitrag stellt erste konzeptionelle Grundlagen des Projektvorhabens dar, in das aktuelle theoretische Ansätze und empirische Ergebnisse der Führungsforschung in Hoch-Risikobranchen einfließen, wie z.B. die Konzepte "chronic unease" (Fuhren and Flin, 2015) und "organisationale Resilienz" (Ritz, 2015b).
- KonferenzbeitragConCenT: Eine Simulationsplattform zur Untersuchung kollaborativer Entscheidungsprozessse in Leitzentralen(57. Fachausschusssitzung Anthropotechnik der DGLR: Kooperation und kooperative Systeme in der Fahrzeug- und Prozessführung, 2015) Kissing, Dirk Schulze; Eißfeldt, HinnerkLeitzentralen sind sozio-technische Systeme, deren Mitarbeiter die für den Betriebsablauf erforderlichen Ressourcen räumlich und zeitlich koordinieren. Im Falle unvorhergesehener Ereignisse müssen im Leitzentralenteam Entscheidungen getroffen werden, wie die Situation zu managen ist. Aus der Human-Faktor-Perspektive setzt dies einen Prozess zum Aufbau eines gemeinsamen Situationsverständnisses im Team voraus (Cooke et al., 2013; Waterson et al., 2015). Der Informationsauswahl und Informationsanalyse liegen Aufmerksamkeitsprozesse zugrunde, die über die Messung des Blickverhaltens erfassbar sind. Werden Blickdaten mehrerer Teammitglieder in einen gemeinsamen Kontext gesetzt, kann ein sich im Verlauf ausbildender, gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokus und damit die Herausbildung eines in der Gruppe bestehenden Situationsverständnisses objektiv nachgewiesen werden (siehe z.B. Hauland, 2008). Das DLR-Projekt COCO (Collaborative operations in control rooms) zielt darauf ab, die sich auf ein gemeinsames Situationsverständnis positiv und negativ auswirkenden Verhaltensdispositionen zu identifizieren. Der Einsatz der experimentalpsychologischen Simulationsplattform ConCenT (generic Control Center Task Environment) erlaubt die integrierte Auswertung von Interaktion und Kommunikation in Gruppen unter Einbindung von Blickmessmethodik. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt in der Vorstellung des Entwicklungsprozesses und der Versuchsumgebung ConCenT.